Philo-Cafe Starnberg 2014 / 2015
| 16. Oktober Referent: Beate Himmelstoß und Dr. Hermann Schlüter Thema: Leben, Liebe, Freud und Leid - Clemens von Brentano und Heinrich Heine
13. November Referent: Ernst Friedrich Lauppe Thema: Anaximander
11. Dezember Referent: Hellmut Bölling Thema: Dichterphilosophen - Rilke, Hölderlin, Novalis 15. Januar 2015 Referent: Dr. Marco Burgert Thema: Über das Denken
12. Februar Referent: Ernst Friedrich Lauppe Thema: Der Universalienstreit 19. März Referent: Peter Erlenwein Zu seinem Buch: "Und sah die Himmel offen" 16. April Referent: Dr. Gerhard Engel Thema: Evolutionärer Humanismus 14. Mai: Referent: Beate Himmelstoss Thema: Karl Jaspers
11. Juni Referent: Dr. Thorwart Thema: Goethe als Augenmensch
16. Juli Referentin: Edith Altmann Thema: Symbolik und Analogiedenken !!! Fällt leider wegen Krankheit aus !!! Es geht voraussichtlich im Oktober weiter !! Themen und Texte zu den Veranstaltungen unter "Vorträge 2014/2015" (soweit schon bekannt) | | |
Donnersstag 11. Juni
Goethe als Augenmensch
oder über den Zusammenhang von Wahrnehmung und Denken
Referent: Dr. Wolfgang Thorwart
Goethe hat sich selbst als Augenmensch bezeichnet. Das Auge war ihm das wichtigste der Sinnesorgane – und zwar mit der Begründung, dass es der theoretischste aller Sinne sei. Für Goethe ist es insgesamt charakteristisch, dass er die Sinnlichkeit und das Denken des Menschen nicht trennen will. Für ihn gilt: Sehen und Denken bilden eine Einheit. Keine Sinneswahrnehmung ohne geistige Denkkategorien, kein Denken ohne sinnlichen Stoff (hier liegt der Grund, warum Goethe der Mathematik Zeit seines Lebens reserviert gegenüberstand). Weil das Sehen selbst theoretisch ist, kommt Goethe zu dem Ergebnis: Welche Denkformen man besitzt, entscheidet darüber, was man mit seinem theoretisch vorgebildeten Augensinn an der Natur und ihren Gegenständen erkennt. Im Wechselprozess von Sehen und Denken erarbeitet sich der Mensch im Laufe seines Lebens ein vertieftes Verständnis der Natur.
Donnerstag, 14. Mai
Karl Jaspers
Referentin: Beate Himmelstoß
„Für die Gottlosen ist er ein Gläubiger, für die Gläubigen ein Ungläubiger, für die Rationalisten ein Mystiker, für die Mystiker ein unentschiedener Vernünftler.“ Jeanne Hersch
Karl Jaspers (1883-1969) war ein Philosoph, der nicht so recht in die Strukturen der wissenschaftlichen Philosophie paßte, dafür aber großen Anklang bei selbständig denkenden „Normalmenschen“ fand. Ursprünglich Psychiater, führte er in die Wissenschaft die Kategorie des einfühlenden Verstehens ein und wandte sich gegen die Ausschließlichkeit empirisch-rationalistischer Methoden. Ihm ging es zeitlebens um den selbständigen Menschen, der sich vom bloßen Dasein aufschwingt zum „Selbstsein“ – dabei helfen ihm die großen Philosophen. In der Nachfolge von Spinoza, Kant, Hegel, Kierkegaard und Nietzsche plädierte er für eine Ethik der Freiheit und der Liebe. Als Drehscheibe des geistigen Aufbruchs der Menschheit sieht er die Zeit zwischen 800 und 300 vor Christus, für die er den Begriff „Achsenzeit“ geprägt hat – zu dieser Zeit kam es weltweit zur Ablösung von den Naturgottheiten, zur Entwicklung universaler Werte und zur Entdeckung des Menschen als eigenverantwortliches Wesen.
Donnerstag, 16. April 2015
Dr. Gerhard Engel
Was ist zeitgenössischer Humanismus?
Dr. Gerhard Engel vertritt den modernen evolutionären Humanismus, eine handfeste philosophische Richtung, die im Gefolge von Julian Huxley Fragen von zentraler Wichtigkeit stellt:
1. Hat der Mensch eine „Sonderstellung“ im Reich der Lebewesen? Worin besteht sie? Oder maßt er sie sich nur an?
2. Wie sollen wir leben? Gibt es dafür universell gültige Maßstäbe, oder sind sie immer relativ zu einer bestimmten Kultur?
3. Muss man als Humanist auch Religionskritiker sein?
4. Wie wird die Zukunft des Menschen aussehen angesichts der Entwicklungen in Wissenschaft und Technik?
Der Vortrag führt entlang der genannten vier Fragen in die Konzeption des „Evolutionären Humanismus“ ein, wie sie der englische Biologe und UNESCO-Mitbegründer Julian Huxley um 1960 entwickelt hat, und erörtert Möglichkeiten, wie seine Konzeption sachangemessen modernisiert werden kann.
Dr. Gerhard Engel
ist
Präsident der Humanistischen Akademie Bayern und Mitherausgeber der Zeitschrift "Aufklärung und Kritik"
Zeitgenössischer Humanismus
Donnerstag, 19. März 2015
Peter Erlenwein
Peter Erlenwein stellt sein neues Buch vor: Und sah die Himmel offen. Eine Schrift für all jene, die an einer Spiritualität des 21. Jahrhunderts interessiert sind, welche sowohl religiöse Dogmatik als auch materialistisches Ödland transzendiert. Ein spannender Wegweiser für jeden Leser, der jenem SPIRIT, der weht, wo er will, immer wieder auf die Spur gekommen ist und damit der Ahnung einer umfassenden geistlichen Wirklichkeit: weg vom (monotheistischen) Beharren auf ‚meinem‘ Gott als auch vom fundamentalistischen Mehr-Wertdenken, das die Erde weitgehend der Zerstörung preisgibt. Somit ist das Buch mit seinen vielen Stimmen eine Kontemplation des Großen Wandels heute: ein schöpferischer Ansatz, die fatalen Brüche zwischen religiöser Tradition und säkularer Postmoderne zugunsten einer Zweiten Aufklärung (Wilber) zu überkommen- anhand der Schilderung faszinierender Lebensentwürfe und Projekte. Ziel dieser ist eine radikal weltoffene (christliche) Mystik mit ihrem unsichtbaren Potenzial von Verwandlung.
Donnerstag 12. Februar 2015
Ernst Friendrich Lauppe
Der Universalienstreit - die platonische Teilhabe, Wahnsinn und Besessenheit
Warum verstehen wir das Mittelalter nicht? Unser Verständnis reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, Texte aus der Zeit davor verstehen wir kaum. Die Grenze ist durch den Universalienstreit gekennzeichnet, der zweihundert Jahre lang tobte. Begriffe sind Namen, behauptete die Seite, die sich durchgesetzt hat – so denken wir heute. Begriffe sind wesenhaft und real, sie existieren wie Geister, sie sind sogar teilweise Geister – so die alte Zeit. Wir werden an diesem Abend an Hand einfacher Beispiele versuchen, in das alte Denken einzusteigen. Wir werden verstehen, was die leichte und dialogische platonische Teilhabe ist, wie Besessenheit zu Stande kommt und was es mit dem Wahnsinn in den alten Zeiten auf sich hatte. Wenn wir das verstanden haben, besitzen wir den Schlüssel für das Verständnis der alten philosophischen Texte, wie die der Gnosis (Hermes Trismegistos).
Donnerstag, 15. Januar 2015
Dr. Marco Burgert
Über das Denken
Denken gilt seit altersher in der Philosophie als das, was uns als Menschen ausmacht. Wie keine andere Wissenschaft dreht sich die Philosophie um die Frage nach dem Denken, was sein Wesen ausmacht. Wie haben wir nun dem gegenüber die Ansprüche etwa der Kognitionswissenschaft oder der Neurowissenschaft zu beurteilen, die sich als neue „Fachleute“ zu diesem Thema aufzubauen scheinen? Kann die Philosophie, wenn sie sich nur als eine Wissenschaft neben anderen verstünde, zu dieser Frage wirklich umfassende Antworten vorbringen? Ein weitere Thema an diesem Abend wird sein: Ist Denken eine Eigenschaft, ein Potenzial des Menschen oder ist es genuin in seinem Wesen verankert? Die Vermutung drängt sich auf: die verschiedenen Zugänge fassen das Denken nur von einem Teilaspekt her und kommen so nicht dem nahe, was Denken im Kern ist, sondern verabsolutieren nur eine Sichtweise. Die Einheit des Ganzen zu bedenken, das sollte aber nach wie vor die Hauptaufgabe der Philosophie sein!
Der Vortrag und die anschließende Diskussion sollen dem Versuch dienen, das Denken aus eben diesem ganzheitlichen Denken heraus philosophisch zu betrachten.
Donnerstag, 11. Dezember 2014
Hellmut Bölling
Dichterphilosophen - Rilke, Hölderlin, Novalis
Wenn wir sagen: „ Dieser Wein ist ein Gedicht“, dann drücken wir damit beiläufig auch eine große Wertschätzung für die lyrische Textform aus. Offenbar wird bei diesen - meist - kurzen Werken in vielen Menschen etwas bewegt. Wir stellen die Frage: In welchem Verhältnis steht die Lyrik eigentlich zur Philosophie? Werden durch gelungene dichterische Sprachbilder und intensive Stimmungen auch die Werte eines Menschen beeinflusst? Am Beispiel von Texten der drei großen deutschen Lyriker Rilke, Hölderlin und Novalis vorgetragen mit der magischen Stimme von Beate Himmelstoß- wird unser Theologe auch die Transzendenz ihrer Aussagen und -skizzenhaft- die dahinterstehenden Weltbilder erläutern.
Donnerstag, 13. November 2014
Ernst Friedrich Lauppe
Anaximander
Von Anaximander stammt die erste vollständige Philosophie: und sie besteht aus nur einem Satz. Der Satz ist so alt (7.Jahrhundert vor Christus), dass wir an ihm die alte Welt erkennen können. Die Welt, wie sie vor Platon und Aristoteles ausgesehen hat und - natürlich - auch vor Kant. Die erste Philosophie wandert auf dem Grat, von dem aus man in unsere neue Welt und zugleich in die alte Welt der Mythen blicken kann. Heidegger hat an Anaximander und anderen Vorsokratikern gezeigt, was Platon, Aristoteles und in ihrem Gefolge die ganze abendländische Philosophie weitgehend ausgemerzt haben: Das Fließen und das Nicht-Materielle. Denn nur mit Begriffen, die den Geist austreiben und den Fluss aufhalten, kommt man zur Fähigkeit, Maschinen zu bauen. Das ist das Geschick der europäischen Menschheit (Heidegger). Jeder Mensch kann heute so denken lernen. Das heißt aber auch, dass wir nun wieder in die Betrachtung des Fließens zurückkehren können, weg vom materialistischen Denken. Die alte Philosophie des Anaximander zeigt die umfassende Bewegung, vergleichbar mit Yin und Yang, sie zeigt den Fluss.
Donnerstag, 16.Oktober 2014
Dr. Hermann Schlüter und Beate Himmelstoß
Leben, Liebe, Freud und Leid – Clemens von Brentano und Heinrich Heine
Romantik und Ironie waren die beiden literarischen Antworten auf die strenge Kritik der Aufklärung und die "übermenschliche" Philosophie des Deutschen Idealismus. Bei Clemens von Brentano (1778 – 1842) und Heinrich Heine (1797 – 1856) korrespondiert diese philosophisch-politische Spannung mit der Tragik des individuellen Lebens und hat sowohl in hochemotionalen Gedichten als auch in philosophischen und religiösen Überlegungen ihren Niederschlag gefunden. Nach der Enttäuschung über den einseitigen Rationalismus der Aufklärung kommt es zu einer Renaissance des Mythischen und Geheimnisvollen – bei Heine ironisch, bei Brentano tragisch, bei beiden romantisch. Es geht um die großen Gefühle und um die Phantasie, die Nachtseite des Lebens, das „Andere“ der Vernunft. Während Heine die Kluft zwischen Geist und Grobheit, poetischer Sehnsucht und prosaischer Realität thematisiert und analytisch-spöttisch aushält, wird Brentanos Ton immer dunkler, bis er in religiöser Leidensmystik versinkt. Damit repräsentieren die beiden Dichter auch die beiden Wege der enttäuschten Romantiker – nach links in Abgeklärtheit und beißende Gesellschaftskritik oder nach rechts in Leidensernst und religiösen Mystizismus.