Programm 08 – 09
Wahrheit: Wissen, Gewissheit und Glauben
Zunächst kurze Bemerkungen zum Jahresthema, dann folgen einige Sätze zum inneren Zusammenhang der einzelnen Themen und den Referenten.
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Wenn wir uns die Begriffe Wahrheit, Wissen, Gewissheit und Glauben auf der Zunge, im Gehirn oder im Herzen zergehen lassen, bemerken wir, dass wir uns in vieldimensionalen, vielschichtigen Feldern bewegen. Jeden dieser Begriffe können wir uns in Bezug auf eine Person, ein Individuum vorstellen aber auch in Bezug auf eine Mehrheit von Menschen, eine Gesellschaft, eine Firma, eine Kultur: Spätestens dann wird die Angelegenheit unübersichtlich. Und wo sind wir, während wir darüber nachdenken? Beobachten wir etwas oder sind wir Teil des Prozesses und können eigentlich gar nichts mehr wissen? Und wie ist es mit dem Glauben? Hilft uns die persönliche Gewissheit an Stelle einer Religion weiter, wenn wir uns selbst erfahren – und ist das dann die Wahrheit?
Über diese Fragen werden wir uns im kommenden Zeitraum unterhalten. Und so sieht der lockere Zusammenhang der philosophischen Abende aus:
Als erster Vortragender wird Peter Erlenwein uns zu Beginn bei einer Ortsbestimmung helfen: die Betrachtung der postmodernen Spiritualität.
Nach dieser Bestimmung schauen wir zurück: Im November wird Ernst Friedrich Lauppe berichten, wie das Denken entstanden ist aus der alten vorbabylonischen Einheit und über welche Stufen es sich entwickelt hat. Das Denken bringt die Trennung vom Glauben mit sich.
Wenn Denken und Glauben getrennt sind, dann stellt sich die philosophische Frage nach Gott. Hellmut Bölling wird deshalb rechtzeitig vor Weihnachten die denkbaren Gottesvorstellungen darstellen.
Im Januar wird Ernst Friedrich Lauppe mit Hilfe eines Textes von Peter Sloterdijk die Wahrheit und die Lüge so vermischen, dass niemand mehr die Stirn haben wird, etwas als wahr oder falsch zu deklarieren. Dabei gilt es dann auch, über Wahrheit und Lüge in der postdemokratischen Gesellschaft nachzudenken.
Das führt freilich nicht dazu, dass einzelne Menschen nicht doch eine Gewissheit über die Wahrheit aus ihrer Erfahrung gewinnen würden. Rainer Langhans, der Revolutionär der Achtundsechziger Jahre wird uns im Februar von seinem Weg zur Spiritualität berichten, sicher ein ganz besonders wichtiger Abend auch angesichts des Baader-Meinhof-Films, der demnächst anläuft und der die anderen Konsequenzen aus den Achtundsechziger Jahren zeigt. So sehen individuelle Gewissheiten aus.
Aber was hat es mit der kollektiven Gewissheit – was man wohl „offizielles Wissen“ nennen kann – dem technischen Wissen, dem Wikipedia- Wissen und Google-Wissen auf sich? Haben wir es etwa mit irgendeiner Form von Wahrheit zu tun? Oder überhaupt mit Wahrheit? Über die Qualitäten dieses Wissens wird uns Felix Denzinger informieren und die Erkenntnisse in einen philosophischen Rahmen einordnen: Ist Wahrheit etwas, was nur zwischen den Menschen stattfindet? Ist also Kommunikation Voraussetzung für Wahrheit?
Wenn nach Niklas Luhmann nur das da ist, was kommuniziert wurde, dann hat Kommunikation einen ganz hohen Stellenwert. Die Formen der Kommunikation ändern sich und bringen neue kollektive Verhaltensweisen hervor und damit neue kulturelle Welten. Zuletzt zu sehen im US Wahlkampf, in dem Obama eine neue Qualität des politischen Kampfes zeigte. Hierüber wird Moritz Sohler berichten, mit all den unglaublichen Überraschungen, die diese neue Internetwelt zu bieten hat.
Wir werden uns dann wohl fragen, ob die Kommunikationswissenschaften einen Schlüssel liefern, mit dem wir das Tor zur Wahrheit aufschließen können. Da könnte uns die Starnberger Spezialistin für gewaltfreie Kommunikation, Friederike Kahlau, weiterhelfen.
Ob wir dann in den folgenden Abenden uns mit Kants Ansicht über Wissen und Glauben befassen oder andere Spuren bei der Wahrheitssuche verfolgen, ist noch offen. Wer wüsste denn, wo sie, die Wahrheit und nichts als sie, zu finden ist? Vielleicht kommen wir im Juli nächsten Jahres wieder da an, wo Peter Erlenwein mit dem ersten Vortrag angefangen hat: bei der Frage nach der Möglichkeit eines Glaubens oder gar einer Religion in unserer heutigen Zeit, oder wenigstens bei der Frage, die schon Kant formuliert hat: ob wir etwas verlässlich wissen können.
Und so sehen die Abende genauer aus:
Donnerstag, den 23.Oktober 2008
Peter Erlenwein
Der Geist des Erwachens, Spiritualität in der Postmoderne
Der Niedergang der Kirchen hierzulande wie die Angst vor Fundamentalismen und ökologischen Katastrophen aller Art zeigt dramatisch die Sinnkrise traditioneller Religiosität als auch einer auf bloßen Konsum angelegten postmodernen Gesellschaft. In seinem Vortrag zeigt Peter Erlenwein faszinierende Perspektiven einer aus dem west-östlichen Dialog erblühenden nach-modernen
Spiritualität.
Peter Erlenwein hat zu diesem Thema das Buch „Der Geist des Erwachens“ geschrieben.
Donnerstag, 13. November 2008
Ernst Friedrich Lauppe
Wie kommt es zu Denken und Wissen?
In den alten Zeiten war Denken, Wahrnehmen, Erkennen und selbst Handeln Eins. Aus diesem Einen entwickelt sich über viele Generationen unsere Art zu Denken, zu Handeln, zu Fühlen heraus. Was wir heute als Ursache sehen, war in alten Zeiten Abstammung: Wenn die Alten zeigen wollen, dass der Reichtum vom Frieden kommt, dann modellieren sie die Göttin Irene (Frieden) die den kleinen Pluto (Reichtum) als Kind an der Brust saugen lässt (steht in München in der Pinakothek). Wir aber sagen trocken und mit unserer durchdefinierten Sprache: Ursache des Reichtums ist der Frieden. Wir wollen an diesem Abend uns über die mythischen Zeiten in das begriffliche Denken hineintasten und verstehen, wie weit wir weg sind von den alten Anschauungen.
Donnerstag, 11. Dezember 2008
Hellmut Bölling
Gottesbilder
Ein Friedrich Schiller zugeschriebener Satz lautet: „Wie einer ist, so ist sein Gott.“ Wenn ein ganzheitlich orientierter Theologe wie Hellmut Bölling an das Thema „Gottesbilder“ herangeht, dann hat dies in Wertschätzung Schillers also sehr viel mit dem Menschsein aus psychologischer Sicht zu tun. Neben den traditionellen Formen werden auch Pantheismus und Panentheismus angesprochen und eingeschätzt; aber Hellmut Bölling wird - mit Einblicken wie Ausblicken auf Nietzsches Übermenschen- auch sein eigenes entwickeltes Gottesbild ausführlich darlegen.
Donnerstag, 22. Januar 2009
Ernst Friedrich Lauppe
Wahrheit und Lüge
Es ist eines der großartigsten und sicherlich eines der lustigsten Stücke der philosophischen Literatur, das uns Peter Sloterdijk über Wahrheit und Lüge liefert. Wir werden uns das Stück vortragen lassen und anschließend die Konsequenzen bedenken. Denn wir werden an den wichtigsten Stellen gelacht haben, weil der kurze Beitrag so verrückt komisch ist. Aber auch anschließend, wenn uns in der Diskussion die Tragweite der Entwicklung aufgegangen ist, werden wir vielleicht noch lächeln, wenn wir bemerken, dass es sich ganz gut leben lässt in dieser Welt und das sogar in der postdemokratischen Gesellschaft, in der Wahrheit und Lüge nicht mehr zu unterscheiden ist.
Donnerstag, 19. Februar
Rainer Langhans
Mein Weg von `68 her. Ein Abend mit Rainer Langhans
Rainer Langhans, häufig als Cheftheoretiker der `68er gesehen, hat in massiven inneren Umbrüchen und Grenzerfahrungen verschiedener Art zu einer von Innen geprägten Weltsicht gefunden. Welche Rolle spielt die Meditation in seinem Leben? Ist er "gläubig" geworden? Wie ist seine Position philosophisch einzuordnen? Seine Antworten auf diese und ähnliche Fragen fanden genug Echo, um im 68er-Jubiläumsjahr 2008 nicht nur wieder als Buchautor aufzutreten, sondern im Gefolge zu einigen Lesungen und Talkshows im deutschsprachigen Raum eingeladen zu werden. In einem eher unakademischen, von längeren Erzählpassagen geprägten Vortrag wird er auch zu dem Thema Stellung nehmen, wie seine Vorstellungen von einem richtig geführten Leben aussehen. Einführung und Moderation: Hellmut Bölling
Donnerstag, 19. März
Felix Denzinger
Qualitäten des Wissens: technisches Wissen,
Wikipedia, Googlewissen
Was sind die Kriterien für Richtigkeit und Wahrheit von Wissen? Beim technischen Wissen ist es wohl das Funktionieren der Maschine, die nach richtigem Wissen gebaut wurde. Bei Google- und Wikipedia- Wissen verhält sich das wohl anders, denn dieses Wissen sieht alle Tage anders aus. Gibt es zeitlose Wahrheiten, Wissen, das für immer gilt?
Donnerstag, 23. April 2009
Moritz Sohler
Kommunikation am Beispiel des Wahlkampfes in USA
In USA, als der nach wie vor kulturell führenden Macht der Erde, hat erstmals eine entscheidende Schlacht im Kampf um die Präsidentschaft im Internet stattgefunden. Moritz Sohler stellt das absolut Neue, Überraschende und Kulturverändernde der Kampagne der Obama-Gemeinschaften vor.
Donnerstag, 14. Mai 2009, 19.30 Uhr im Bayerischen Hof in Starnberg:
Prof. Dr. Jörns:
"Mehr Leben bitte" - wie lebensnah die Lehre Jesu aufgefasst werden kann.
Prof. em. Klaus-Peter Jörns, ehem. Leiter des Instituts für Religionssoziologie der Humboldt Universität, Mitglied des Curatoriums der Eugen-Biser-Stiftung, ist weithin bekannt: sein neuestes Buch ist vom PublikForum zum Buch des Monats gewählt worden. www.klaus-peter-joerns.de (nachsehen! Bild und Lebensdaten). Herr Jörns wurde von Herrn Bölling, unserem Theologen angesprochen.
In der Zeit der Krise, in der viele Menschen starke Veränderungen erleben und erleiden, tut es gut, einen Theologen zu hören, der nicht den Opfertod in das Zentrum der Lehre stellt, sondern das Leben und die Freiheit.
Ein kritischer Mann mitten aus der Gesellschaft. Wir sehen: in allen Kreisen der Bevölkerung gibt es Bewegung und es ist sehr interessant die Botschaft von dieser Seite zu hören, nachdem wir am letzten Philo-Donnerstag von Martin Sambauer die engagierten Worte der jungen Generation der 40-Jährigen zur Krise gehört haben.
Donnerstag, 25.6.2009 im Bayerischen Hof, Starnberg, 19.30 Uhr:
Eva März:
Wissen und Weisheit im Buddhismus
Eva März hat Philosophie studiert und ist Buddhistin mit ganzem Herzen, langjährig als Lehrerin in buddhistischen Zentren tätig. Sie hat auch schon bei uns vor Jahren einen sehr interessanten Abend gestaltet.
Buddhismus, so heißt es aus christlicher Sicht, ist eine Religion ohne Gott. Nichtsdestoweniger kennt man die schönen buddhistischen Tankas, in denen allerlei Götter und Geister abgebildet sind. Wir werden hören, was das zu bedeuten hat. Wissen und Weisheit ist im Buddhismus kein Gegensatz, beides sind Hilfen bei der Lebensführung. Im Mittelpunkt steht die Selbstveränderung, im Buddhismus eine uralte Lehre und Praxis.
Das ist nun auch bei uns angekommen: Peter Sloterdijk hat gerade sein neues Buch publiziert: "Du musst Dein Leben ändern": ein Buch in dem er alle Religion und alle Kultur aus dem Blickwinkel der Übung betrachtet - mit zum Teil unglaublichen und überraschenden Ergebnissen und Ausblicken. So auch mit Nietzsche´s Ausspruch: "Üben, üben, üben, der Glaube kommt dann schon". Die übende Gesellschaft auf dem Weg zum Übermenschen.
Sloterdijk war jahrelang im Osten und hat von dort viel mitgebracht. Wir aber haben am Donnerstag Abend die Gelegenheit, zu diesem zur Zeit in der Deutschland vieldiskutierten Thema Authentisches und Originales von Eva März zu hören. Sie hat das Thema nicht nur durchdrungen, sondern sie lebt das auch.
Donnerstag, 23 Juli 2009
Felix Denzinger
Die Internetrevolution. Auf dem Weg zum homo digitalis
Auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei, die sich mit Freiheit im Internet befasst - in Schweden hat sie schon 3 Abgeordnete im Parlament sitzen und bei uns kam sie immerhin auf 0.9 Prozent bei der Europawahl -sagte einer der führendenden Leute folgendes zm Thema Mensch und Computer:
"Der moderne junge Internutzer fasst seinen Laptop als Bestandteil seines Körpers auf, der seine Wahrnehmung und seine Sinne erweitert" - und dieses nicht nur unwidersprochen, sondern mit Beifall des Parteitags.
Höchste Zeit also, sich ausführlich mit dieser Veränderung in unserer Kultur zu befassen. Felix Denzinger, junger Philosoph, der gerade seine Promotion schreibt und der für Internetfirmen arbeitet, wird an diesem Abend ausführlich über das Thema sprechen und eine philosophische Einordnung bringen.
Die Internetrevolution. Auf der Suche nach dem homo digitalis.
Zweifelsohne hat das Internet die Art und Weise zwischenmenschlicher Kommunikation in den letzten 15 Jahren revolutioniert. Weit über 1 Milliarde Menschen nutzen das digitale Netzwerk schon und es ist mittlerweile in allen Ländern verfügbar. Das „World Wide Web“ ist inzwischen ein Sinnbild für den Globalisierungsprozeß geworden. Moderne Online-Dienste wie „Google-Maps“, soziale Netzwerke wie „Facebook“ und kommerzielle Plattformen wie „Ebay“ eröffnen den Benutzern nicht nur neue Möglichkeiten des Wirtschaftens, sondern lassen derzeit eine neue digitale Kultur entstehen, die gerade erst in den Anfängen steckt. Begriffe wie „Informationszeitalter“, „digitale Revolution“, „Wissensgesellschaft“ und „WEB 2.0“ deuten diese Zeitenwende im Bereich des globalen Zusammenlebens an und lassen erahnen, daß das Internet nicht bloß ein einfaches Kommunikationsmedium ist.
Medientheoretiker und Philosophen sprechen sogar von einem derzeit stattfindenden Paradigmenwechsel, demzufolge der Mensch des vergangenen Industriezeitalters vom neuen „homo digitalis“ abgelöst werde. Sie meinen damit nicht bloß, daß der Mensch, der am Fabrik-Fließband arbeitete, sich nun plötzlich an den Computer setzen möchte, sondern vielmehr daß die Identität der Online-Nutzer zunehmend mit dem Medium selbst verschmilzt.
Ob dieser Bewußtseinswandel wirklich stattfindet, welche Auswirkungen er auf unsere Gesellschaft hat und was die Online-Technologien für unser Verständnis vom Menschen bedeuten, soll an diesem Abend Thema sein. Dabei soll nicht nur durch eine medienphilosophische Diagnose das Ausmaß der stattfinden Internetrevolution ermessen werden, sondern vor allem auf ihre weitreichenden Konsequenzen eingegangen werden.
Jahresabschluss: mehrere Referenten Können wir etwas wissen, etwas glauben, können wir gewiss sein?