Philo-Cafe Programm 2009 / 2010 Peter Sloterdijks Werk: „Du musst Dein Leben ändern“ Mittwoch, 21.Oktober 2009 Peter Erlenwein Heilung: was heißt das? Der Philosoph Sloterdijk spricht in seinem neuesten Werk von der anderen Übung, dem Heraustreten, wenn nicht sogar Ausbrechen aus den üblichen Wiederholungen, die schon die frühen Asketen empfahlen um heil und ganz zu werden. Therapeuten sprechen von Bewusstwerdung und Heilung. Der Wunsch danach scheint so selbstverständlich, dass es kein Zögern, keine Frage geben sollte, diesem nachzukommen. Und doch zeigt sich bei näherer Betrachtung, welche Herausforderungen mit solchem Ansinnen aufscheinen, welche komplexen, widersprüchlichen, ja unüberschaubaren Horizonte sich mit einem Male auf tun. Denn auch professionelle Heiler vermögen häufig nicht abzuschätzen ob, wann und wie Heilung geschieht, bzw. welcher ‚Übung’ sie bedarf. Freitag, 13. November 2009 Alexander Lauterwasser, Einleitung Ernst Friedrich Lauppe Schwingung, Wasser, Form Am Anfang war das Wort – übersetzt Luther. War es Schall? Schwingung? Hesiod berichtet, dass sich das Chaos ordnete, als Eros - die erregende Spannung - Licht und Dunkelheit voneinander trennte. So entstand Ordnung (= Kosmos). Am Anfang war das Wasser, sagt Thales. Er meint damit eine Substanz, aus der alles entsteht. Aber wie? Schneiden wir aus einer Metallplatte eine Libelle aus, und versetzen sie in Schwingung, so ordnen sich die Körnchen, die wir darauf streuen so, wie die Farben in den Flügeln der Libelle. Das Phänomen ist als „Chladnische Klangfiguren“ bekannt. Auf die Chladnischen Klangfiguren bezog sich Hans Peter Dürr in einem seiner neuesten Vorträge, als er einen möglichen Weg bezeichnen wollte, wie unsere Welt sich aus der Quantenwelt heraus permanent aufbaut. Alexander Lauterwasser versetzt Wasser in Schwingung, durch Töne, durch Musik, durch Schall. Das Wasser nimmt Formen an, Formen, die an Tiere und Pflanzen erinnern, an Muster, die wir aus unserer Welt kennen. Stehende Wellen und ruhende Strukturen über dem vibrierenden Wasser: die schönsten und aufregendsten Figuren zeigt er in einem Film über die formgestaltende Kraft der Schwingungen und Klänge, zu dem er uns seinen Vortrag hält. Wahrhaftig ein besonderes Erlebnis. Ich bin beglückt, dass Alexander Lauterwasser zu uns ins Philosophische Cafe kommt und die Theorien und Spekulationen der Philosophie mit prallem Leben füllt. Vorgeschmack: www.wasserklangbilder.de Mittwoch, 9. Dezember 2009 Ernst Friedrich Lauppe Einführung in Sloterdijks „Du musst Dein Leben ändern“ Die gesamte Weltbühne wird um 90 Grad gedreht und ein neuer Blick auf die Welt geworfen. Dies aus dem Gesichtspunkt der Wiederholung und der Übung. Nietzsche: „Üben, üben, üben, der Glaube kommt dann schon“. Babies und Kinder wiederholen Abläufe über 30 mal, dann haben die Synapsen eine Bahn eingerichtet, auf der es leichter läuft, schon fast automatisch. Es üben die einzelnen Menschen, z.B. beim Schreiben lernen, die Völker, wenn sie ihre Lebensgrundlagen pflegen, die Kulturen, wenn sie ihre Feste feiern und ihre Gebräuche und Bräuche wieder und wieder wiederholen. Wiederholen und üben: so entstanden die Religionen. Propheten und Asketen waren die, die aus dem unreflektierten Wiederholen heraustraten, andere Übungen fordernd und vorlebend. Seit 300 Jahren lebt und lernt unsere Welt asketisch übend. Übend nach dem Ideal, das unmöglich erreichbar ist, früher Gott oder das Gute, heute das Unmögliche des Übermenschen (Nietzsche). Schneller, besser, höher, der Fortschritt zum Unmöglichen: Sloterdijk nennt das die „Vertikale Spannung“, in der der Mensch heute lebt. „Du musst Dein Leben ändern“: Tritt heraus aus der Tretmühle Deiner unreflektierten Wiederholungen und übe neue, selbstgewählte Abläufe. Mittwoch, 20. Januar 2010 Hellmut Bölling Die Religion des Sports Wenn die Antike das bekannte Ideal vom gesunden Geist in einem gesunden Körper hervorbrachte, dann ist es von diesem ganzheitlichen Ansatz nur noch ein kleiner Schritt zu einer "Sportreligion" (Sloterdijk). Pierre de Coubertin, den Initiator der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen 1896, trieb diese tatsächlich um. So kannten noch die Spiele der 20er Jahre des 20.Jh. Disziplinen wie "Bildhauerei" und Ähnliches. Hellmut Bölling wird entlang von Sloterdijks Analysen vielfältiger "Übungsprogramme" darlegen, warum die Entspiritualisierung und Kommerzialisierung des heutigen Spitzenports auf diesem Hintergrund und aus philosophischer Sicht durchaus als Verarmung einzuschätzen ist. Mittwoch, 24. Februar 2010 Ernst Friedrich Lauppe Wittenstein und Foucault aus der Sicht Sloterdijk´s
Sloterdijk sieht Ludwig Wittgenstein und Michel Foucault völlig anders, als sie bisher gesehen wurden. Unter seinem Blickwinkel wird nicht nur ihre Philosophie, sondern auch ihr Leben betrachtet. Nach der Renaissance des Denkens und der Kultur im 16. bis 18. Jahrhundert folgt im 19. Jahrhundert die Renaissance des Leibes (Sport, Olympische Spiele). Im 20. Jahrhundert taucht aus der Antike der „Weise“ auf, eine Figur, die im europäischen Mittelalter und bis heute bei uns keinen Platz hatte, denn diese Stelle nahmen die Heiligen ein. Was ist das Besondere an diesen zwei Philosophen? Sind sie „weise“? Wittgenstein und Foucault werden aus der Perspektive der Philosophie und aus der Perspektive Sloterdijks gezeigt, sodass man versteht, was Sloterdijk meint, wenn er sagt: die Weltbühne wird um 90 Grad gedreht und wir schauen aus einem anderen Blickwinkel auf die Bühne. Mittwoch, 24. März 2010 Claudia Fischer Nur Krüppel werden überleben und der Pariser negative Buddhismus Ciorans
Mit diesen beiden Kapiteln aus Sloterdijk´s Buch "Du musst Dein Leben ändern" wird der Weg des Übens auf verschiedenste Weise gezeigt. Zunächst, wie Krüppel mit eisernem Willen sich in ein akzeptiertes Leben üben, dann wie auch ein stets zum Negativen hin geübtes Leben ein Erfolg werden kann und so unter den weiten Begriff es Übens und der Askesis im Sinne Nietzsches fällt. Mittwoch, 21.4.2010 Wolfgang Denzinger Von Rilke´s Torso über die Muse des Übens zum Gott Apoll Peter Sloterdijk hat Rilkes Anregung „Du mußt Dein Leben ändern!“ aufgegriffen und uns nahegelegt, das ganze Leben als Übung zu betrachten. Nachdem wir im letzten Philo-Cafe von Torsi, Bruchstücken und Fragmenten gehört haben, denen der moderne Mensch entspricht, hören wir nun vom Üben aus der Sicht des Ganzen: Aus dem Mythos heraus können wir den Hintergrund und die Wirkung von Apollon und seinen drei Musen besser verstehen. Eine der drei Musen ist Melete, das <Üben>. Denn wir fragen mit recht: Wohin und zu welchem Ende sollen wir üben? Der Mythologe Wolfgang Denzinger wird uns nicht vom Fragment sondern vom griechischen Mythos her ansprechen. Denn erst das Zusammenspiel der drei Musen ergibt ein ganzheitliches Bild des Übens, in dem wir Antworten auf die Frage nach Sinn und Ergebnis des Übens finden können. So wird die Lebensbühne von oben angeschaut. Mittwoch, 19. Mai 2010 Ernst Friedrich Lauppe Zur Missbrauchsdebatte: Vorgeschichte des pädagogischen Eros Es gibt einige philosophische Äußerungen zum Thema, aber sie reichen nicht aus, um das Große Ganze zu sehen, das hinter all den fragmentarischen Ratlosigkeiten steht. Wir werden uns zunächst auf bekanntem – wenn auch stark vermintem – Gelände bewegen (Foucault, Sokrates, platonische Liebe). Dann aber geht es mit Hilfe der Methoden des Strukturalismus und Poststrukturalismus in die Einzelwissenschaften: Die Kulturanthropologie (Endogamie), die Etymologie (Beginn der Sprache), und die Ethologie (Konrad Lorenz´ und Eibl-Eibesfeldts Erkenntnisse vom Affenfelsen) werden uns den Weg zeigen zum Verständnis des pädagogischen Eros und dem Verständnis des möglichen Absturzes: wenn der pädagogische Eros nicht in seiner Geschichte und Herkunft gesehen wird und wenn die Lehrenden nicht mit den inneren Übungen bekannt gemacht werden, die ihnen die Unterscheidung zwischen Sexualität und pädagogischem Eros ermöglichen. Mittwoch, 16. Juni Prof. Dr. Dr. Katharina Ceming, Universität Augsburg
Du musst dein leben ändern! Doch nur Wie?
Übung statt Religion. Der Mensch als Übender. Für Sloterdijk ist die Geschichte der Religion keine der Religion, sondern eine der »Anthropotechnik«. Doch ist jede Form der Anthropotechnik gleich gut und hilfreich? Die von Sloterdijk aufgezeigten Beispiele mögen z.T. erheiternd und erhellend sein, doch wirklich weiterbringen sie den ernsthaft Suchenden kaum. Wie ein neuer Übungsweg im Sinn einer Integralen Spiritualität aussehen kann, der für den modernen Menschen gangbar ist, soll in diesem Vortrag beleuchtet werden.
Philo-Cafe am Mittwoch, 21.7.2010 Existenzialismus Liebe Freundinnen und Freunde des Philo-Cafes, Vor der Sommerpause ein letztes Philo-Cafe: Es ist dem Existenzialismus gewidmet. Ein Abend in Schwarz. Frau Dr. Himmelstoß, Claudia Fischer, Wolfgang Schenk und Ernst Friedrich Lauppe werden den Abend gemeinsam gestalten. Frau Dr. Himmelstoß wird aus Zarathustra die „Gott ist tot“ – Botschaft sprechen, ein wahrhaft dramatisches Stück aus Nietzsches Werken. Der auf sich selbst zurückgeworfene Mensch schwebt vereinzelt im sinnlosen leeren -schwarzen- Raum, wenn Götter und Gott nicht mehr sind. Gedanken zu Heidegger im Dritten Reich, zu Kierkegaard, Bergson, Sartre, Camus zeigen das schwarze existenzialistische Lebensgefühl und auch die Versuche, wieder zu Sinn zu kommen. Es ist das Verdienst des Existenzialismus, die Menschen zur Erkenntnis gebracht zu haben, dass etwas in ihnen ist, das über sie hinaus strebt: sei es Bergson´s elan vital oder Sloterdijks Vertikalspannung. Die vier Hauptakteure werden am Tisch sitzen und alle sind eingeladen, teilzunehmen mit statements oder sonstigen Beiträgen. Es würde der Herstellung des existenzialistischen Gefühls förderlich sein, wenn wir etwas Schwarzes tragen würden – und wenn es nur ein schwarzer Schal ist. Claudia Fischer, die nicht nur Philosophin sondern auch performance-Künstlerin ist, wird unter anderem mit einem musikalisch-philosophischen Beitrag Existenz-Gefühle à la Sartre/Camus erlebbar machen. So hoffen wir, dass es ein schöner und tiefer Abschluss des Philo-Jahres wird. |